Jüngste Studien haben gezeigt, dass Allopolyploidie die Genomevolution bei Weizen auf zwei Arten beschleunigt: (1) Allopolyploidisierung löst schnelle Genomveränderungen (revolutionäre Veränderungen) durch die sofortige Erzeugung einer Vielzahl von kardinalen genetischen und epigenetischen Veränderungen aus, und (2) der allopolyploide Zustand erleichtert sporadische Genomveränderungen während des Lebens der Art (evolutionäre Veränderungen), die auf diploider Ebene nicht erreicht werden können. Zu den revolutionären Veränderungen gehören (1) die nicht zufällige Eliminierung kodierender und nicht kodierender DNA-Sequenzen, (2) epigenetische Veränderungen wie die DNA-Methylierung kodierender und nicht kodierender DNA, die u. a. zum Gen-Silencing führen, (3) die Aktivierung von Genen und Retroelementen, die wiederum die Expression benachbarter Gene verändert. Diese hochgradig reproduzierbaren Veränderungen treten in den F1-Hybriden oder in der/den ersten Generation(en) der entstehenden Allopolyploiden auf und ähneln denen, die in der Natur zweimal vorkamen: zuerst bei der Bildung des allotetraploiden Weizens (vor etwa 0,5 Millionen Jahren) und dann bei der Bildung des hexaploiden Weizens (vor etwa 10 000 Jahren). Die Eliminierung von nicht kodierenden Sequenzen aus einem der beiden homöologen Paare bei Tetraploiden und aus zwei homöologen Paaren bei Hexaploiden verstärkt die Differenzierung der homöologen Chromosomen auf polyploider Ebene und bildet damit die physikalische Grundlage für das diploid-ähnliche meiotische Verhalten des allopolyploiden Weizens. Die Regulierung der Genexpression kann zu verbesserten intergenomischen Interaktionen führen. Die Inaktivierung von Genen führt zu einer schnellen Diploidisierung, während die Aktivierung von Genen durch Demethylierung oder durch transkriptionelle Aktivierung von Retroelementen, die die Expression benachbarter Gene verändern, zu neuen Expressionsmustern führt. Die evolutionären Veränderungen umfassen (1) den horizontalen intergenomischen Transfer von Chromosomensegmenten zwischen den konstituierenden Genomen, (2) die Erzeugung rekombinanter Genome durch Hybridisierung und Introgression zwischen verschiedenen allopolyploiden Arten oder, seltener, zwischen Allopolyploiden und Diploiden und (3) Mutationen. Diese Phänomene, die die Plastizität des Genoms sowohl in Bezug auf die Struktur als auch auf die Funktion betonen, könnten die Anpassungsfähigkeit der neu gebildeten Allopolyploiden verbessern und ihre schnelle und erfolgreiche Etablierung in der Natur erleichtern.